Die gesamte Klaviatur aus Service und Kommunikation

Die Antwort kommt daher wie gemalt. Wer mit seinen Fragen nach dem Stand des Fachhandwerks in der Digitalisierung bei der Firma Seidel in Reichenbach landet, steht im Schulungsraum staunend vor einem etwa drei Meter breiten Kunstwerk. Vor einem Bild, das die Vielfalt des Betriebs und der Branche treffend auf den Punkt bringt. Ganz rechts das rund 60-köpfige Team der Seidel Heizung & Bad GmbH, Richtung Bildmitte Kabel, Vernetzung und ganz links das strahlend blaue Facebook-Logo. Von Blaumann bis Browser – im hügelig-historischen Vogtland spielt Geschäftsführer Marcel Seidel die gesamte Klaviatur aus Service und Kommunikation.

Marcel Seidel räumt noch schnell die Getränke und das Frühstück des Innungstreffens in die modern eingerichtete Bistroküche. Das Tablet liegt bereit, in Kürze erscheinen Kundengruppen, Projekte und Ziele des Betriebs auf einer in die Wand integrierten Leinwand. Seinen Fokus legt der Betrieb auf den Fertig- und Reihenhausbereich im gesamten süddeutschen Raum. Immer wiederkehrende Aufträge. Eingespielte Abläufe. Liquide Kunden. Sichere Planung. „Unser Ziel ist eine 100-prozentige Auslastung. Nicht mehr und nicht weniger“, sagt Marcel Seidel, wohlwissend, dass eine zu große Belastung Qualität und am Ende Rendite kostet.

Marcel Seidels Technikinteresse wirkt weit in den Betrieb hinein

Schon mit 28 Jahren, nach dem frühen Tod seines Vaters, übernimmt Marcel Seidel gemeinsam mit seiner Mutter Brigitte Betrieb und Verantwortung. Das Unternehmen wächst von fünf auf 60 Mitarbeiter. Eine Größe, die eingespielte Abläufe und verlässliche digitale Werkzeuge verlangt. „In Logistik und Prozessen sind wir gut“, betont Seidel und die Gedanken des Besuchers wandern von Tablet und Leinwand in das riesige Lager nebenan. Barcodes an den Regalen für Kleinteile, nach Projekten eingeteilte Abschnitte im Hochregalbereich. Hier dreht ein Betrieb das große Rad. Hier müssen analoge und digitale Aufgaben Hand in Hand gehen.

Marcel Seidel hält früh das erste Nokia und den Blackberry in seinen Händen. Sein privates Technikinteresse wirkt weit in den Betrieb hinein. „Wir schauen uns jeden Prozess an und überlegen, ob man ihn digitalisieren kann. Im Optimalfall benötigen wir quasi ein Schweizer Taschenmesser mit allen Funktionen. Aber unsere Monteure gehen nicht mit einem Schweizer Taschenmesser zum Kunden und montieren eine Heizung. Ich komme also nicht darum herum, viele kleine Lösungen zu nutzen.“

Geld sparen mit digitalen Werkzeugen

Was verbindet Marcel Seidel mit dem Begriff Digitalisierung? „Ich bekomme viele Prozesse automatisiert abgearbeitet und spare mit digitalen Werkzeugen Geld ein. Jeder Monteur hat ein Tablet und ein Smartphone, auch die Lehrlinge sind digital ausgestattet. Wir versuchen nahezu die gesamte Baustellendokumentation digital abzudecken.“ Momentan noch in erster Linie über Mail und Chat. Der passionierte Golfspieler Seidel beschreibt den Ablauf sportlich kompakt: „Problem auf der Baustelle. Der Monteur macht ein Foto, schickt es an den Bauleiter mit der Frage, was wir machen. Antwort zurück an den Monteur, weiter geht’s.“ Auf zum nächsten Schwung.

Sämtliche Arbeitsleistungen wie Zeichnungen, Installationsanleitungen und Aufträge bekommen die Monteure per Mail aufs Tablet. Mitarbeiter, die ihr Aufmaß weiterhin lieber per Hand schreiben, erhalten das Paket auch in Papierform. „Wir leben in einer dualen Welt. Wichtig ist für mich, dass alle die Möglichkeit haben, die digitalen Tools zu nutzen. Am Ende aber sind es Handwerker, die mit Handwerk ihr Geld verdienen. Bei uns in der Verwaltung ist die Digitalisierung viel wichtiger als auf der Baustelle. Dort endet der Nutzen, wenn es ans Schrauben geht.“ Um im Bild zu bleiben: Dann ist der Blaumann wichtiger als der Browser.

Buchhaltung und Projektgeschäft mit der Fachhandwerkersoftware

Vor einem Jahr führte der 48-Jährige die Fachhandwerkersoftware pds in den Betrieb ein. Darin ist die gesamte Buchhaltung und das Projektgeschäft integriert. Die Rechnung seines Großhandelspartners SHT Edki kommt über ZUGFeRD, geht in die Buchhaltung und wird automatisch mit der Bestellung abgeglichen. Passt alles, erfolgt automatisch über die Finanzbuchhaltung die Zahlungsanweisung.  Zeiteinsparung in der Verwaltung: 15 bis 20 Prozent. Auch die Abläufe rund um die Ausgangsrechnung sind digital. Und die Bestellung? Die läuft über die Verknüpfung der Fachhandwerkersoftware mit GC ONLINE PLUS.

Marcel Seidel ruft auf seinem Tablet Apps auf, tippt und zeichnet. „Über unseren Server verwalten wir die rund 120 mobilen Geräte. Diese Verwaltung ermöglicht es uns, eine App zu kaufen, die dann auf allen Geräten installiert ist.“ Eine der Apps ist das Werkzeug der Bauleiter: pCloud. In der Datenwolke liegen Fotos, allgemeine Dokumente, Urlaubsanträge und vieles mehr. Mit Meistertask deckt der Betrieb aus Reichenbach die gesamten Projekte ab. Jeder sieht zu jeder Zeit, welche offenen Aufgaben noch anstehen.

"Je größer die Firma desto größer die Einsparung"

Seidel zückt seinen Stift, um die Bedienung von GoodNotes vorzustellen. Damit kann er auf Plänen einzelne Komponenten einkreisen, Kommentare ergänzen und die Seite sofort als Bild oder PDF an den Monteur auf der Baustelle versenden. „Damit arbeiten unsere Monteure und Projektleiter sehr viel. Wichtige Seiten können in die pCloud geladen, per Mail versendet oder im Meistertask als Aufgabe angelegt werden“, sagt er. 

Während der Blick des Besuchers wieder und wieder auf dem Bild an der Wand landet, stellt sich die Frage, wie sehr Blaumann und wie sehr Browser Seidels Kollegen in der Region sind. „80% haben von den eben beschriebenen Sachen noch nicht gehört“, sagt er. „Für uns als Betrieb sind die digitalen Möglichkeiten sehr wichtig, um Prozesse und Kosten in der Verwaltung zu minimieren. Für einen Zwei-Mann-Betrieb reicht die Kommunikation am Morgen und am Abend. Je größer die Firma desto größer die Einsparung.“

Digital verknüpft mit lokaler Stärke

Die Informationsflut sei gigantisch geworden, Kunden erwarten auf eine Mail sofort eine Antwort. „Dank der digitalen Möglichkeiten sind wir besser aufgestellt, pünktlicher, verlässlicher, der Monteur hat nahezu die komplette Verbindung zum Büro. Von allen Technikräumen machen wir 360 Grad-Aufnahmen. Ruft ein Kunde an und beschreibt einen Fehler, können wir auf das Foto gucken und helfen.“ Service eines Fachhandwerksbetriebs. Digital verknüpft mit lokaler Stärke. „Bei uns spricht noch ein Mensch mit Menschen, der Monteur vor Ort bietet echte Lösungen an. Anders als ein Sprachcomputer.“

In Reichenbach lebt ein Fachhandwerksbetrieb den Weg in die Zukunft vor – und zeigt, was er kann. Marcel Seidel legt großen Wert auf Social-Media-Aktivitäten, auf die Website und den Blog. „Darüber machen wir viel, vor allem um neue Mitarbeiter zu gewinnen.“ Eine Agentur unterstützt auf diesem Weg. Nach 90-minütiger Reise sind wir also auf der linken Seite des Bildes angekommen. Das blaue Facebook-Logo rückt ins Zentrum. „Digitalisierung ist ein Muss“, sagt Marcel Seidel schließlich auf dem Weg durch das moderne Bistro und die hotelähnliche Lobby. Ein Muss, dessen Chancen der Betrieb im Vogtland eindrucksvoll nutzt.