"Im Fachhandwerk bewegt sich was"

Es ist eine Kunst, im Kleinen klaren Kopf zu bewahren, ohne den Blick für das große Ganze zu verlieren. Schnell fragt sich der Besucher, ob Gestaltungswille und Offenheit gegenüber neuen digitalen Werkzeugen irgendwie mit dem Firmennamen zu tu haben. Energietechnik Benedikt Kratzer GmbH & Co. KG in Gablingen vor den Toren Augsburgs. Firmenchef Benedikt Kratzer sitzt auf seinem Hocker, trinkt Kaffee und Wasser, taucht ein in die zahlreichen Tools, die er nutzt, und taucht wieder auf mit seinen Gedanken um die Zukunft der Branche. Mal euphorisch, mal nachdenklich, immer voller Energie.

Noch bevor der Besucher seine erste Frage loswerden kann, sagt der 50-jährige: „Im Fachhandwerk bewegt sich was. Wir müssen aber aufpassen, dass die Technik nicht zu kompliziert wird. Schließlich muss die jemand bedienen können. Die Produkte werden ja nicht nur installiert, sondern müssen auch gewartet werden. Wer soll das denn machen?“ Ausblick auf die Branche, Einblick in die Gedankenwelt eines Fachhandwerksmeisters, der sich als Digital-Pionier einen Namen gemacht hat. Preisgekrönt.

Auf dem neuesten Stand bleiben

Die Frage danach, was er machen möchte, beantwortete Benedikt Kratzer für sich nach der Technikschule Ende der 90er Jahre. Während seine Kollegen ihren Karriereweg in der Industrie verfolgten, gründete Kratzer seine Firma. Mit 25 Jahren. Mittlerweile beschäftigt er zwölf Mitarbeiter, zwei unterstützen im Büro.

Der blaue Himmel über Gablingen scheint in das helle und modern eingerichtete Betriebsgebäude. Benedikt Kratzer betont: „Unter Digitalisierung fasse ich drei Dinge: Effizienzsteigerung bei den Prozessen. Kommunikation über ZOOM und Lernen über Webinare und Podcasts. Und die Kommunikation nach draußen über Website, Facebook, Instagram.“ Auf dem neusten Stand bleiben, keinen Trend und damit die Zukunft verpassen – das ist seit jeher Kratzers Devise. „Wir haben hier vor 16 Jahren das Lager neu gemacht. Das war damals schon mit Scannerbeschilderung ausgestattet, mit Barcodes an den Regalen zum Nachbestellen, mit der UGL-Schnittstelle zum Großhandel.“ Vor sechs Jahren wechselte der Betrieb zur Fachhandwerkersoftware Label. „Mittlerweile bestellen wir über die IDS-Schnittstelle alles aus dem Projekt heraus und suchen nicht mehr im Katalog nach irgendwelchen Nummern. Die sind längst in einem Suchbaum hinterlegt.“

Scannen direkt im Monteursfahrzeug

Kratzers digitaler Werkzeugkasten wächst Baustein um Baustein. Unter anderem um die Arbeitszeiterfassung seiner Mitarbeiter. „Unsere Monteure scannen den Barcode zu ihrem Projekt, laden also den Auftrag und können die Zeit buchen. Sie sprechen auf, was sie gemacht haben, ergänzen die Bilder von der Baustelle und senden alles an mich. Damit habe ich eine Liste, in der die gesamten Aufträge vom Vortag drin sind und ich genau sehe, welcher Auftrag abgeschlossen ist und welchen wir nochmal anfahren müssen.“ Mit ZUGFeRD nutzt Kratzer die neueste Form der elektronischen Rechnungsstellung. Vier bis fünf Stunden Zeit spare er damit wöchentlich ein. „ZUGFeRD geht ja über das Einbuchen der Rechnungen hinaus. Wir müssen keinen Abgleich mehr mit den Bestellungen machen. Wenn ich später einen Artikel suche, finde ich ihn auch besser.“

Im Wissen, dass die ELEMENTS-Ausstellung seines Großhändlers Silberhorn mit Palette CAD arbeite, entschied sich Kratzer auch dafür. Das Aufmaß erfolge direkt beim Kunden digital. Das Ergebnis der Vorplanung sendet der Betrieb an die Ausstellung. Verlässliche Kommunikation. Über die GC APP geben seine Monteure ihre Bestellung ein oder scannen die Artikel direkt im Monteurfahrzeug. „Wir haben die Montagefahrzeuge alle mit Barcodes ausgestattet“, sagt Kratzer. Durch die Schnittstelle zum Online-Shop des Großhandels erfolgt alles nahtlos und fehlerfrei.

Veränderungen mit Arbeit verbunden

Auf der Reise durch die digitalen Werkzeuge des Betriebs entsteht spontan der Eindruck, Schlag auf Schlag kämen neue Tools dazu. Aber so ist es nicht. Kratzer ist sich bewusst, dass er seiner Mannschaft nicht einfach so etwas Neues vorsetzen kann wie einen frischen Kaffee. „Wenn ich sage, wir machen es draußen digital, schreien die Monteure nicht Juchhu! Du musst selbst den Prozess hundertmal durchspielen. Ich schreibe zu allem einen Leitfaden. Wir probieren es so lange, bis es läuft. Und dann übertragen wir es.“

Veränderungen sind mit Arbeit verbunden. Und scheitern immer mal wieder auch an der Technik. Zum Verzweifeln sei der Prozess gewesen, den mobilen Kundendienst einzuführen. Ganz einfach, weil die dahinterstehende Technik nicht optimal funktionierte. „Jetzt haben wir Top-Geräte mit integrierter SIM-Karte. Damit macht es Spaß. Was gibt es Besseres, als auf dem Weg zur Baustelle zu wissen, was für eine Anlage mich erwartet, wie ich die Kiste einstellen und das Problem beheben kann.“

Lokaler Bezug, digitale Abläufe

Wenn Benedikt Kratzer von den Neuerungen und schier unendlichen Möglichkeiten erzählt, strahlen seine Augen. Entdeckergeist paart sich mit dem Bewusstsein, dass viele Abläufe durch digitale Tools effizienter und schneller werden. „Bei uns war immer schon alles sehr sauber durchstrukturiert. Durch die Digitalisierung nimmt das natürlich ganz anders Fahrt auf.“ Gleichzeitig brechen die Sorgen durch, in welche Richtung sich die Branche zu entwickeln droht. „Die Technik wird immer komplizierter, die Auflagen höher und wenn wir uns nicht digitalisieren, dann wird es eng für uns.“ Das Fachhandwerk könne nur als starke Gemeinschaft bestehen. „Momentan haben wir mit unserer Firma sicher einen Vorteil, weil wir effizienter und schneller arbeiten. Aber es geht mir um die Existenz und Wertschöpfung im Fachhandwerk auf lange Sicht. Es geht um den dreistufigen Vertriebsweg, der für uns gut ist, weil er unsere Marge sichert. Wenn das mal wegfällt, dann haben wir ein Problem.“

Ein nach wie vor großer Vorteil des Fachhandwerks sei der persönliche Kontakt. „Wir müssen zum Kunden vor Ort und gleichzeitig im Hintergrund die Prozesse so schlank halten, dass er drei Tage später sein Angebot hat. Das ist die große Herausforderung.“ Lokaler Bezug, digitale Abläufe: der Schlüssel zum Erfolg. Und Kratzer will es genau wissen, bietet auf seiner Website die Chance zur Bewertung seiner Firma. „Dort erhalten wir fast nur positive Mitteilungen. Wir wollen das jetzt mit einem Dienstleister machen, der die Bewertungen sammelt. Das wird in Zukunft immer wichtiger.“ Ähnlich wie die Nachwuchssuche. Kratzer bietet Förder- und Weiterbildungsmaßnahen, flexible Arbeitszeitmodel oder ein modernes Arbeitsumfeld – und macht damit Lust auf Handwerk.

Das große Ganze im Blick behalten

Was bedeutet die Digitalisierung für Benedikt Kratzer? Der 47-Jährige hält kurz inne. „Durch die Digitalisierung geht alles schneller, das ist wunderbar, aber es wird auch alles enorm hektisch. Und wir müssen uns eines bewusst machen: Der Kunde in fünf Jahren kauft das Bad Sonntagabend auf dem Sofa. Und wenn Du da nicht präsent bist, kauft er es nicht bei dir, weil er gar nicht weiß, dass es dich überhaupt gibt. Die Entwicklung ist bitter. Aber Du kannst Dir überlegen, ob Du mitmachst oder aufhörst. Das ist die Herausforderung.“ Kaffee und Wasser sind ausgetrunken. Benedikt Kratzer muss wieder an die Arbeit. Vorankommen im Kleinen und das große Ganze dabei immer im Blick behalten.

Bildrechte: Energietechnik Benedikt Kratzer GmbH & Co. KG